Mein echtes Leben wird heute beginnen
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Von Mirain Baloch

Dieser Artikel bietet einen Einblick in das Leben von Fidayeen (aufopferungsvolle Kämpfer) Mahal Baloch, alias Zilan Kurd. Zur Ehrung ihres Vermächtnisses kommen wir der Bitte unserer kurdischen revolutionären Genossen nach, dem Symbol der Einheit zwischen den nationalen Befreiungskämpfen der Belutschen und Kurden zu gedenken. Wir bewundern zutiefst ihren revolutionären Geist und ihr Bestreben, Bande zwischen unterdrückten Nationen zu knüpfen, die gegen kolonialistische Kräfte kämpfen. Die Opfer, die wir bringen, und der Schmerz, den wir ertragen, stärken unser kollektives Bewusstsein auf unserem Weg zur Befreiung.
Fidayeen Mahal Baloch brachte diese Einheit in ihren revolutionären Worten zum Ausdruck, als sie nach ihrem gewählten Alias Zilan Kurd (1) gefragt wurde. Sie erklärte: „Ich möchte den Aktivist:innen, die sich im Kampf für die Unabhängigkeit Kurdistans engagieren, diese Botschaft übermitteln, dass auch wir ein mutiges und furchtloses Volk wie sie sind und einen Kampf gegen den Feind für unsere Freiheit führen. Ich möchte sie durch meine Taten über die nationale Bewegung der Belutschen informieren.“ Ihre Worte und ihr historisches Handeln haben in der Geschichte der belutschischen und kurdischen Befreiungsbewegung einen bleibenden Eindruck hinterlassen und sind ein starkes Symbol der Solidarität zwischen diesen unterdrückten Nationen.
Wie das kurdische Volk leidet auch das Volk der Belutschen seit über anderthalb Jahrhunderten unter der Geißel des Kolonialismus. Einst eine unabhängige und souveräne Nation, wurde Belutschistan zunächst von den britischen Imperialisten kolonisiert, die die sozio-politische und geografische Landschaft neu gestalteten. Um ihre Ausbeutung zu festigen, wurde das Gebiet der Belutschen gewaltsam aufgeteilt und zwischen Afghanistan, dem Iran und Britisch-Belutschistan aufgespalten, wodurch das belutschische Volk seine Einheit und Souveränität verlor.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten die europäischen Kapitalisten und insbesondere die Briten, aus Angst vor dem Aufstieg des internationalen Kommunismus, die Unabhängigkeit Belutschistans zu untergraben. Das Ergebnis war die pakistanische Besetzung Belutschistans am 28. März 1948, die den Beginn eines neuen Kapitels in der Kolonialisierung der belutschischen Nation markierte. Bis heute unterstützen die imperialistischen Mächte, insbesondere das expansionistische China, die pakistanische Kolonialarmee bei ihrer brutalen Unterdrückung der nationalen Bewegung der Belutschen und setzen damit Völkermord, Unterdrückung und Ausbeutung fort.
Trotzdem hat das belutschische Volk erbitterten Widerstand geleistet. Seit Anfang der 2000er Jahre hat sich der Widerstand intensiviert, und politische und militärische Organisationen haben sich zu einer gemeinsamen Sache zusammengeschlossen. Der pakistanische Staat hat mit rücksichtsloser Gewalt geantwortet: Militäroffensiven, Massengräber, erzwungenes Verschwindenlassen sowie die brutale Zurschaustellung verstümmelter Körper. Unter den zahllosen tapferen Menschen, die sich dieser Tyrannei entgegenstellten, war Fidayeen Mahal Baloch, ein glorreiches Beispiel für Widerstand und Opferbereitschaft.

Geboren am 16. März 2002 in Surbandan, Gwadar, einem malerischen Fischerdorf an der Küste des Belutschischen Meers, wuchs Mahal Baloch umgeben von natürlicher Schönheit und revolutionären Aufständen auf. Umgeben vom Meer und dem Berg Mhedi fließt das Leben ruhig dahin, doch die Menschen dort leben im Schatten der Unterdrückung und erleiden einen stillen Völkermord und ökologischen Genozid. Schon in jungen Jahren bewies Mahal außergewöhnlichen Mut, Führungsqualitäten und Hingabe. Sie begann ihre Ausbildung an der Oasis School in Gwadar. Nach dem Abitur schrieb sie sich am Government Girls Inter College in Gwadar ein. Um ihre Bildung weiter zu vertiefen, besuchte sie die School of Law an der Universität Turbat. Ihre hervorragenden akademischen Leistungen brachten ihr den Titel „Beste Studentin“ ein, während ihre Kommilitonen sie liebevoll als „Liebling der Studenten“ und „natürliche Führungspersönlichkeit“ bezeichneten.
Mahal war eine charmante Seele mit einem unstillbaren Wissensdurst und einer Liebe zum Lesen und Schreiben. Ihre persönliche Büchersammlung umfasste revolutionäre Literatur von Persönlichkeiten wie Maxim Gorki, Frantz Fanon, Paulo Freire und Leila Khalid. Über ihre Leidenschaft für das Lesen schrieb sie in ihrem Tagebuch: „Ich lese leidenschaftlich gern, weil Bücher uns edle Gedanken und Ideen vermitteln. Durch das ständige Lesen wurden die revolutionären Gefühle in mir gestärkt, und ich wurde mir meines Landes und meines Volkes bewusster. Deshalb spielt das Lesen von Büchern eine wichtige Rolle in unserem Leben.“
Sie war nicht nur eine begeisterte Leserin, sondern auch eine aufstrebende Schriftstellerin. Mahal erzählte gerne fiktive Geschichten, sammelte alte belutschische Volksmärchen und schrieb über die Schönheit der Natur, die sie umgab. Ihre tiefe Verbundenheit mit Mutter Natur inspirierte sie zu einem Großteil ihres persönlichen Tagebuchs, in dem sie die Essenz ihrer geliebten Heimat festhielt. Sie hatte auch eine kreative Seite, die ihren Mitmenschen Freude bereitete. Mahal fertigte in Handarbeit bunte Karten, Schlüsselanhänger aus Fäden und schöne Gegenstände aus Muscheln an, die sie ihren Kameraden zu Geburtstagen und besonderen Anlässen liebevoll schenkte. Schon in jungen Jahren zeigte sie eine Leidenschaft für das Sammeln einzigartiger Gegenstände wie Kunsthandwerk, Briefe, Autogramme und Muscheln und schätzte die kleinen Wunder des Lebens.
Mahal lebte in einer kolonialen Gesellschaft, in der sich Patriarchat und Unterdrückung durch koloniale Strukturen manifestierten, und reflektierte über die gesellschaftlichen Barrieren, denen sie als junges Mädchen ausgesetzt war: „Mein Lieblingssport ist Fußball. Mein Vater und mein Großvater waren beide Fußballer. Mein Wunsch war es, Fußballerin zu werden, obwohl ich wusste, dass mir niemand helfen würde, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der Mädchen nicht ermutigt werden, Fußball zu spielen. Manchmal müssen wir der Gesellschaft folgen, und ich weiß, dass dieser Wunsch nie in Erfüllung gehen wird. Manchmal bleiben unsere Wünsche unvollständig.“

Mahals Schriften bieten nachdenkliche und überzeugende Weisheiten über ihren revolutionären Weg. Sie schrieb: „Ich hasse Unterdrückung und Unterwerfung, die mein Volk in Elend und Leid gestürzt haben. Man gibt uns in unserem Land nicht unsere Rechte. Tag für Tag werden wir in die Unterdrückung gezwungen. Ich liebe die Befreiung – die Befreiung, nach der mein ganzes Volk in Frieden und Souveränität in seinem Land leben kann.“
Die Ungerechtigkeiten, denen die Belutschen und die unterdrückten Völker der Welt ausgesetzt sind, haben Mahals Bewusstsein tief geprägt. Sie sah, wie ältere Menschen gedemütigt, Jugendliche entführt und Intellektuelle, Schriftsteller und Pädagogen brutal ermordet wurden. Zu den vielen Tragödien, die sie miterleben musste, gehörte das Martyrium ihres geliebten Lehrers und Schulgründers Sir Zahid Askani Baloch, eines visionären Pädagogen, der vom pakistanischen Militär und seinen Geheimdiensten ermordet wurde. Diese Ereignisse entfachten in Mahal eine feurige Entschlossenheit, für die Würde und Freiheit ihres Landes zu kämpfen.
In ihren persönlichen Betrachtungen, die sie in ihrem Tagebuch festhielt, legte Mahal die Qualen ihres Volkes offen: „Die Unterdrücker haben den Belutschen alles Glück aus dem Leben gerissen. Heute befindet sich jeder Haushalt der Belutschen in Trauer. Das Elend und die Leiden, die ein Belutsche ertragen muss, sind unvorstellbar. Jeden Tag wird ein Sohn entführt, und ihre verstümmelten Leichen werden entsorgt. Angesichts solcher Grausamkeiten sind meine Tränen versiegt; ich kann nicht mehr weinen. Dennoch bleibe ich hoffnungsvoll, dass die Tage der Unterdrückung sich ihrem Ende nähern. Alle Belutschen – Kinder, Männer, Frauen und Jugendliche – werden zusammenkommen, um eine Lösung zu finden. Bald wird eine neue Morgendämmerung anbrechen.“ Diese Kombination aus Liebe und Hass kennzeichnete Mahals revolutionären Weg: Liebe für ihr Volk und Hass auf seine Unterdrücker.
Zusammen mit ihren acht Fidayeen-Kameradinnen der Majeed-Brigade (der selbstaufopfernden Einheit der Baloch Liberation Army) leitete Mahal Baloch am 25. August 2024 die Operation Herof (Schwarzer Sturm) ein, die in Bezug auf Umfang und Intensität die tödlichste Operation in der Geschichte des nationalen Kampfes der Belutschen gegen die pakistanischen Besatzer war. Die Märtyrerin Fidayeen Mahal Baloch, die in die Fußstapfen ihrer Vorgängerinnen, der mutigen Belutschinnen Fidayeen Shari Baloch und Fidayeen Summaiya Qalandrani Baloch, getreten war, schloss sich 2022 der Belutschischen Befreiungsarmee an und widmete ihre Dienste nach einem Jahr der Majeed-Brigade. Mahal Baloch begann die Operation Herof, indem sie ein mit sechshundert Kilogramm Sprengstoff beladenes Auto zum Hauptquartier der pakistanischen Armee in Bela fuhr und das zentrale Tor des Lagers anvisierte. Diese entscheidende Aktion ermöglichte ihren Fidayeen-Kameraden, mit Leichtigkeit in das feindliche Lager einzudringen. Dank ihres rechtzeitigen und wirksamen Schlags gegen die kolonialistischen Streitkräfte gelang es den anderen tapferen Söhnen Belutschistans, Schlüsselpositionen im Armeehauptquartier einzunehmen und über zwanzig Stunden lang zu halten.
Einige Stunden vor Beginn der Operation Herof saßen alle Fidayeen zusammen, unterhielten sich und tauschten ihre Gedanken aus. Fidayeen Junaid Zehri fragte die Gruppe: „Was bedeutet das Leben für euch?“ Jeder Fidayeen beantwortete die Frage auf seine eigene Weise. Schließlich antwortete Fidayeen Mahal Baloch: „Das Leben vor diesem Leben war kein Leben. Mein richtiges Leben fängt heute an.” Nach einer kurzen Pause fügte Mahal hinzu: „Ich möchte, dass meine letzte Mahlzeit mein Lieblings-Biryani ist, das ich selbst kochen und mit all meinen Kameraden teilen werde.“ Lächelnd stand Mahal auf und begann mit der Zubereitung des Biryani, wobei ihr alle Fidayeen halfen. Sie lachten und unterhielten sich, während sie gemeinsam kochten. Als das Biryani fertig war, teilten sie es als ihre letzte Mahlzeit und genossen den gemeinsamen Moment. Danach begannen sie mit ihren Vorbereitungen und machten sich auf den Weg.

Das Leben, die Taten und das Vermächtnis von Mahal Baloch sind ein Symbol für die entschlossene Solidarität zwischen der belutschischen und der kurdischen Befreiungsbewegung.
Ihre Botschaft hallt über die Grenzen hinweg und erinnert uns daran, dass der Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit universell ist und dass der Geist des Widerstands keine Grenzen kennt.
(1) Zilan war das Alias von Zeynep Kınac, einer jungen kurdischen Militanten der PKK, die, ohne jemandem von ihren Plänen zu erzählen, am 30. Juni 1996 einen erfolgreichen Selbstmordanschlag gegen türkische Soldaten durchführte. Die Aktion war ein Wendepunkt für die kurdische Freiheitsbewegung, und die Briefe, die sie schrieb, um ihre Handlung zu erklären, wurden zu einem „Manifest für das Leben“, das Generationen junger Menschen, insbesondere junger Frauen, inspirierte, für ihre Freiheit zu kämpfen.
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